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Minkewitz-Ausstellung „Aufrecht stehen“

Gemälde von Reinhard Minkewitz

Das Gemälde „Aufrecht stehen ist seit 2015 im Besitz der Stiftung. Es ist eine Reaktion auf das monumentale SED-Propagandabild „Arbeiterklasse und Intelligenz“, das Werner Tübke in den 1970er Jahren für die Leipziger Universität Leipzig gemalt hat. Als mit dem Neubau des Hörsaalgebäudes auch das Tübke-Bild wieder einen „angemessenen Platz“ erhalten sollte, forderte der Leipziger Schriftsteller Erich Loest die Universitätsleitung zu einem kritischen Umgang mit dem Bild auf. Er beauftragte den Maler Reinhard Minkewitz mit einem Gemälde, das sechs Männer zeigt, die in den Anfangsjahren der DDR mit dem Regime in Konflikt geraten waren und unter seinen Repressionen zu leiden hatten. In einem komplexen Verfahren mit der Universität Leipzig, dem Künstler und anderen Beteiligten hat die Stiftung für die Fertigstellung und Hängung des Bildes gesorgt. Seither ist es als Dauerleihgabe der Stiftung – zusammen mit dem Tübke-Bild – im neuen Hörsaalgebäude der Universität Leipzig zu sehen.

Leihgabe der Stiftung Friedliche Revolution hängt seit Ende März 2015 im neuen Hörsaalgebäude

„Aufrecht stehen…“ von Reinhard Minkewitz‘ in der Leipziger Universität

Das 2006 von Erich Loest angeregte Gemälde „Aufrecht stehen…“ des Leipziger Malers Reinhard Minkewitz hängt seit Ende März 2015 im Hörsaalgebäude der Universität Leipzig. Im gleichen Gebäude wird seither auch das Anfang der 1970er Jahre geschaffene Werk „Arbeiterklasse und Intelligenz“ von Werner Tübke gezeigt. Zum Auftakt der Dauerausstellung beider Großgemälde hatten die Stiftung Friedliche Revolution und die Universität Leipzig für den 30. März 2015 zu einer festlichen Vernissage eingeladen. Beide Kunstwerke können montags bis freitags jeweils zwischen 7 und 21 Uhr besichtigt werden (siehe auch die Pressemitteilung zur Ausstellungseröffnung.

„Beide Werke stehen für sich und für die Zeit, in der sie geschaffen wurden“, erklärte Michael Kölsch vom Vorstand der Stiftung Friedliche Revolution, die der Leipziger Universität das 2,6 mal 9,2 Meter große Minkewitz-Gemälde als Leihgabe zur Verfügung gestellt hat. Die Bilder „konkurrieren, kommunizieren und profitieren voneinander – auch durch die räumliche Nähe. Das Spannungsfeld zwischen ihnen klagt an, klärt auf und mahnt“, fügte er hinzu.

Das Gemälde „Aufrecht stehen – für Herbert Belter, Ernst Bloch, Werner Ihmels, Hans Mayer, Wolfgang Natonek, Georg-Siegfried Schmutzler zeigt Männer, die auf unterschiedliche Weise in den Anfangsjahren der DDR mit KGB und SED-Führung in Konflikt gerieten und dafür zum Teil mit langen Haftstrafen oder gar mit dem Leben bezahlt haben. Das Bild soll exemplarisch an die zahlreichen bekannten und unbekannten Opfer des SED-Regimes an der Universität Leipzig erinnern und diese gleichzeitig zur Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte anregen.

Die Anregung zu diesem Bild stammt vom Leipziger Schriftsteller Erich Loest, der damit eine Antwort oder besser einen Kommentar zu Werner Tübkes Bild „Arbeiterklasse und Intelligenz“ geben wollte. Auf dem Tübke-Gemälde aus den 1970er Jahren sind mehr als 100 Personen dargestellt – Mitglieder und Studenten der damaligen Karl-Marx-Universität, Bauarbeiter des Universitätsneubaus am Augustusplatz und drei politische Funktionäre. Für Loest eine besondere Herausforderung war die Tatsache, dass sich darunter auch der damalige 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Leipzig, Paul Fröhlich, befindet, der zuvor für den Universitätsneubau die Sprengung der intakten Universitätskirche St. Pauli angeordnet hatte, dem er aber auch, wie Loest betont, die Jahre seiner Haft in Bautzen verdankt.

Mit der Vielfalt der bildlichen Darstellung eröffnen sich nach Ansicht Schückings breite Interpretationsspielräume, entsprechend sind über dieses wichtige Werk bereits viele Vorträge gehalten und Bücher geschrieben worden. „Ich bin gespannt darauf, wie die neue Generation von Studierenden und Lehrenden an der Universität ihren Weg finden wird, sich von den Bildern anregen zu lassen zu Diskurs und Dialog, zur Auseinandersetzung mit Zeiten, in denen studentische Freiheiten, ja der Zugang zum Studium selbst reglementiert war. Und ich bin sicher, dass auch die außeruniversitäre Öffentlichkeit sich daran beteiligt“, fügte die Rektorin hinzu.

Das Minkewitz-Bild „Aufrecht stehen…“ ist Ende Oktober 2014 in das Eigentum der Stiftung übergegangen. Bei der Übernahme des Projektes hatte sich die Stiftung vertraglich verpflichtet, den damals bestehenden Fehlbetrag von rund 48.000 Euro für die Kaufsumme durch Spenden einzuwerben. Darum ist die Stiftung auch weiterhin auf Spenden für das Bild angewiesen.

Hinzu kommt, dass die Stiftung zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit beiden Gemälden Begleitprogramme plant, die ebenfalls über Spenden finanziert werden sollen.

Das Spendenkonto der Stiftung Friedliche Revolution wird von der Sparkasse Leipzig geführt und hat die Nummer 1100111111 (IBAN: DE35 8605 5592 1100 1111 11; BIC: WELADE8L).

Bitte helfen Sie uns, das Vermächtnis von Erich Loest zu erfüllen!

Wir danken Frau Linde Rotta Leipzig/Wien, der Sparkasse Leipzig, der Messe Leipzig GmbH und vielen weiteren Spendern für die bereits erfolgte großzügige Unterstützung des Projekts.

Zur Vernissage hat die Stiftung eine Broschüre mit dem Titel „Aufrecht stehen…“ herausgegeben, die u.a. die sechs Persönlichkeiten vorstellt, ein Grußwort von Erich Loest‘ Lebensgefährtin Linde Rotta enthält sowie in einem Interview mit dem Künstler Reinhard Minkewitz auf einige Aspekte des Entstehungsprozesses hinweist. Enthalten ist zudem ein Beitrag von Stephan Seeger von der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig über deren Förderung des Projektes sowie ein Vorwort vom Herausgeber.

Die Broschüre kann zum Preis vom 4,00 Euro bezogen werden

– per Post: Stiftung Friedliche Revolution, Nikolaikirchhof 3, 04109 Leipzig
– telefonisch: 0341/9837860
– per Fax: 0341/9837861
– per Mail: info@stiftung-fr.de
– via Kontaktformular unserer Homepage: Kontaktfomular

Widmung

Das Gemälde „Aufrecht stehen…“ – für Herbert Belter, Ernst Bloch, Werner Ihmels, Hans Mayer, Wolfgang Natonek, Georg-Siegfried Schmutzler zeigt Männer, die auf unterschiedliche Weise in den Anfangsjahren der DDR mit KGB und SED-Führung in Konflikt gerieten und dafür zum Teil mit langen Haftstrafen oder gar mit dem Leben bezahlt haben. 

Herbert Belter, der aus einer Arbeiterfamilie stammt, ist am 21. Dezember 1929 in Greifswald geboren. Er besucht bis 1945 die Mittelschule in Rostock, absolviert eine Ausbildung zum kaufmännischen Angestellten, tritt 1948 der SED bei und macht 1949 Abitur. Danach beginnt er ein Studium in Leipzig (Volkswirtschaft und Gesellschaftswissenschaft). Kurz darauf nimmt er Kontakt zu West-Berliner Stellen auf, von denen er reichlich Informations- und Aufklärungsmaterial über die SBZ/DDR erhält, das er wiederum mit Hilfe anderer kritischer Studenten in der Leipziger Universität verbreitet. So verteilt er auch am 4. Oktober 1950 zusammen mit einem Kommilitonen Flugblätter gegen den undemokratischen Charakter der bevorstehenden Volkskammerwahlen. Noch am Abend wird er verhaftet und der Sowjetischen Geheimpolizei übergeben. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung werden weitere Flugblätter und Broschüren gefunden. Am 20. Januar 1951 verurteilt ihn ein sowjetisches Militärtribunal in Dresden zum Tode. Drei Monate später, am 28. April, wird er in Moskau hingerichtet.

Bald nach Beginn seines Studiums wurde Herbert Belter der politisch-ideologischen Indoktrination durch die Partei-Propaganda überdrüssig. Er suchte und fand Gleichgesinnte an seiner und anderen Fakultäten. Sein Kommilitone Siegfried Jenkner berichtet: „Wir besorgten kritische wissenschaftliche Literatur, studierten sie und gaben sie innerhalb sowie außerhalb der Universität weiter. Einige hatten auch Kontakt zum RIAS-Hochschulfunk aufgenommen.“ Von diesem Kontakt hatten sie Broschüren und Flugblätter mit demokratischem Inhalt erhalten.

Das entscheidende Motiv für die Freunde war der Drang, die Vorgänge in der SBZ nach außen bekannt zu machen und für demokratische Meinungsfreiheit einzutreten. Ein Anlass bot sich zu den Volkskammerwahlen am 15. Oktober 1950. Am 4. Oktober begannen Belter und seine Mitstreiter damit, in der Leipziger Innenstadt Flugblätter zu verteilen. Auf dem Heimweg gerieten Belter und Helmut du Mênil in eine Kontrolle. Belter wurde verhaftet, weil man bei ihm West-Geld und einen Brief aus West-Berlin fand; du Mênil wurde freigelassen und floh in den Westen.

Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei bei Belter „antidemokratische“ Flugschriften und Broschüren sowie Adressen seiner Mitstreiter. Fast ein Dutzend junger Männer wurde daraufhin festgenommen und nach vier Tagen an den sowjetischen Geheimdienst übergeben. Sie gelten seither als die oppositionelle „Belter-Gruppe“.

Trotz massiver Drangsalierungen während der Verhöre rechtfertigte Belter, überzeugt von seiner demokratischen Handlungsweise, seine angebliche „illegale Betätigung“, indem er vor dem Sowjetischen Militärtribunal feststellte: „Ich habe mich illegal betätigt, weil ich unzufrieden war mit der Situation an der Leipziger Universität, wir hatten keine Gewissensfreiheit, keine Redefreiheit und keine Pressefreiheit.“

Am 20. Januar 1951 verkündet das sowjetische Militärtribunal in Dresden das Urteil: Es verurteilt Belter als Rädelsführer zum Tode durch Erschießen, seine Freunde zu je 25 bzw. 10 Jahren Zwangsarbeit. Am 28. April wurde der 21jährige Belter in einem Moskauer Gefängnis erschossen. Seine sterblichen Überreste sind eingeäschert auf dem dortigen Friedhof Donskoje in einem Massengrab verscharrt.

Ernst Simon Bloch ist am 8. Juli 1885 in Ludwigshaften geboren. Nach dem Abitur beginnt er 1905 mit dem Studium der Philosophie und Germanistik in München. Bereits früh ist Bloch politisch aktiv und kämpft gegen die aufstrebenden Nationalsozialisten. 1933 wird er ausgebürgert und emigriert u.a. in die USA. Dort entsteht auch sein Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“. 1948 erhält er das Angebot, den Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Leipzig zu übernehmen. 1949 siedelt er dorthin über. Aus politischen Gründen wird er 1957 emeritiert. Nach dem Bau der Mauer kehrt Bloch von einer Reise in die Bundesrepublik nicht zurück. Er nimmt eine Gastprofessur an der Universität Tübingen an und erhält 1967 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Am 4. August 1977 stirbt er im Alter von 92 Jahren in Tübingen.

Ernst Bloch kam nach Leipzig, um als überzeugter Marxist endlich seine Ideale verwirklichen zu können. Er avancierte zum „Staatsphilosophen“, was 1955 in der Verleihung des Nationalpreises II. Klasse der DDR und in der Aufnahme in die Deutsche Akademie der Wissenschaften gipfelte.

Er selbst sah sich als Vordenker eines utopisch orientierten Marxismus und riskierte neue Aspekte im Sinne Lenins „Träumen nach vorwärts“. In seiner letzten Vorlesung am 17. Dezember 1956 plädierte er für eine „Fortentwicklung des Marxismus nach Marx“, was der offiziellen SED-Linie völlig widersprach.

Dabei verzichtete er auch nicht auf Sticheleien gegen die Parteilinie der SED, wie sich die ehemalige Studentin Ingrid Zwerenz erinnert: „Auch das Beste kann durch ständige Wiederholung abgedroschen werden, kurzum: Der Marxismus ist per definitionem Erneuerung, dazu gehört Mut, revolutionärer Elan, keine Routine, sondern materialistisch begriffene Hoffnung.“

Besonders aus der von Wolfgang Harich und Ernst Bloch ab 1953 herausgegebenen „Deutschen Zeitschrift für Philosophie“ war ein Forum nichtorthodoxen marxistischen Denkens entstanden. Dessen Existenz musste den Hütern des dialektischen Materialismus ein Dorn im Auge sein. 1954 wurde Bloch von seinem Kollegen Rugard Otto Gropp des „Revisionismus“ bezichtigt. Damit löste dieser eine langjährige Diskussion am Philosophischen Institut wie in der Parteileitung aus. Diese gipfelte im Januar 1957 in einem offenen Brief der Parteileitung, in dem Bloch „Desorientierung“ seiner Studenten sowie Sympathien mit den Unruhen in Polen und Ungarn vorgeworfen wurde. Der Entzug des Vertrauens sollte ihn zum Rücktritt von seiner Professur bewegen. Zum 1. September 1957 wurde Bloch auf Beschluss von Walter Ulbricht und Kurt Hager emeritiert.

Sicherlich hat Bloch sich mit einem von ihm erwählten System angelegt und ist ihm schließlich selbst zum Opfer gefallen. Da war es nur konsequent, der DDR auch äußerlich den Rücken zu kehren. Die Reaktionen darauf waren hingegen sehr unterschiedlich. Sie reichten von Klagen über den Verlust des geschätzten Hochschullehrers bis zu dem schweren Vorwurf, seine Schüler zu vergessen. Denn die seien nach Blochs Weggang auf unterschiedliche Weise drangsaliert, ihrer Funktionen enthoben oder zurück in die Produktion geschickt worden, während ihr Professor in Tübingen längst zu neuen Ehren gekommen sei.

 

Werner Ihmels ist am 14. Januar 1926 in Leipzig geboren. Er stammt aus einer bekannten sächsischen Pfarrersfamilie. Nach dem Abitur an der Leipziger Thomasschule beginnt er in seiner Heimatstadt ein Theologie- und Philosophiestudium, das er nach wenigen Tagen schon abbrechen muss, um der Einberufung zur Wehrmacht zu folgen. Nach Kriegsende setzt er sein Studium fort und arbeitet aktiv in der christlichen Jugendarbeit. Daneben ist er in der FDJ-Landesleitung von Sachsen und in der CDU tätig. Am 11. September 1947 wird Ihmels auf offener Straße verhaftet und am 2. Dezember 1947 von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. Er kommt ins Zuchthaus Bautzen, dem berüchtigten „Gelben Elend“. Dort stirbt er am 25. Juni 1949 an einer Lungentuberkulose.

Werner Ihmels war zweifellos ein ungewöhnlicher junger Mensch. Noch vor Kriegsende 1945 vertraut er seinem Tagebuch und einem seiner Brüder an, wie sehr er sich über den Wiederaufbau nach dem verlorenen Krieg und über die Neuorientierung der jungen Leute in der zerstörten Heimat Gedanken macht. Dabei ist er selbst nicht einmal 20 Jahre alt, sieht aber, dass Nazizeit und Krieg eine verführte, enttäuschte und überforderte Jugend hinterlassen haben.

Ihr widmet er sich ab 1945 mit aller Kraft. Dazu setzt er die schon zu NS-Zeiten begonnene Arbeit in kleinen Bibelkreisen fort, beteiligt sich aber auch an dem von der sowjetischen Militäradministration ins Leben gerufenen „Antifaschistischen Jugendausschuss“. Dort wirbt er für Recht, Wahrheit und Demokratie, aber auch für die Freiheit des Gewissens und für Nächstenliebe. In seinem Tagebuch vermerkt er: „Ich bin in dem Ausschuss als Christ mit politischer Verantwortung […] Ich bin überzeugt, dass nur noch innere Umkehr unser Volk retten kann. […] Da hilft […] nur Zupacken, der Jugend das Wort Gottes verkündigen.“

Parallel setzt er sein Studium an der wieder eröffneten Leipziger Universität fort. Dort arbeitet er im Vorläufer des späteren Studentenrates mit. Er tritt zudem in die CDU ein und wird von der sächsischen Landeskirche beauftragt, als Verbindungsmann den Kontakt zur Freien Deutschen Jugend (FDJ) zu halten. Dort erlebt er, wie die FDJ unter Leitung Erich Honeckers die kirchlichen Jugendgruppen nur an den Rand zu drängen sucht.

Es kommt zu Verhärtungen und Konflikten und Ihmels beschließt, Informationen über die tatsächliche Lage der evangelischen Jugend in der SBZ an die Westmächte weiterzugeben. Er weiht einen kleinen Kreis engster Freunde ein. Es sind dies der 16 Jahre alte Oberschüler Horst Krüger, der Immatrikulationsreferent im Studentenrat, Wolfgang Weinholdt, und Manfred Gerlach, der spätere Parteichef der DDR-Liberalen.

In den frühen Morgenstunden des 11. September 1947 wird Ihmels vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet. Die Anklage konstruiert konspirative Tätigkeit und Spionage. Parallel laufen gleiche Verfahren gegen die ebenfalls verhafteten Freunde Weinholdt und Krüger. Nur Gerlach bleibt verschont und kann wenig später sogar das Bürgermeisteramt in Leipzig übernehmen. Die drei verurteilten Freunde kommen nach Bautzen ins „Gelbe Elend“, wo Ihmels am 25. Juni 1949 nach einem missglückten Eingriff im Alter von 23 Jahren stirbt. 46 Jahre später, im Jahr 1995, wird er durch den russischen Militärstaatsanwalt rehabilitiert.

 

Hans Mayer ist am 19. März 1907 in Köln geboren und hat dort auch die Schule besucht. Er studierte in Köln, Bonn und Berlin Jura, Philosophie und Geschichte und promovierte 1930 mit einer Arbeit über Rudolf Smend. Als Jude und Marxist wurde er 1933 aus dem Staatsdienst entlassen. Er emigrierte nach Paris und ein Jahr später in die Schweiz. Nach dem Krieg kehrte er nach Deutschland zurück. Er arbeitete u.a. als Kulturredakteur und war Chefredakteur bei Radio Frankfurt. 1948 folgte er einer Berufung als Professor für Literaturgeschichte an die Universität Leipzig. 1957 folgte seine Berufung zum Direktor des Instituts für Deutsche Literaturgeschichte. 1963 nutzte Mayer eine Dienstreise in die Bundesrepublik, um der DDR endgültig den Rücken zu kehren. Er übernahm eine Professur an die Technische Hochschule in Hannover, ließ sich dort 1973 emeritieren und war ab 1973 Honorarprofessor an der Universität in Tübingen. 1991 würdigte ihn die Universität Leipzig mit einem Ehrendoktor und 2001 verlieh ihm die Stadt Leipzig die Ehrenbürger-würde. Am 19. Mai 2001 ist Hans Mayer im Alter von 94 Jahren in Tübingen gestorben.

„Mayer betritt raschfüßig den Hörsaal 40, hat es noch auf dem Podium sehr eilig, endlich hinter dem Pult angelangt, beginnt fixes Sprechen. Sehr gespannte Stimme, könnte leicht reißen, phonetisch explosiv. Schöne Jahrhundertdurchblicke.“ Mit diesen Worten beschrieb Uwe Johnson die legendären Vorlesungen Hans Mayers. Davon profitierten nicht nur Germanistikstudenten. Im Auditorium fanden sich oft Kommilitonen aus anderen Fakultäten. Es war jedes Mal ein Ereignis und Erlebnis. Auch Hans Mayer genoss diese Zeit, wie er 1984 berichtete: „Ich habe mich oft glücklich gefühlt an der Pleiße; am meisten in Hörsaal 40.“

Aber als „Kommunist ohne Parteibuch“, wie er sich selbst nannte, geriet Mayer zunehmend in ein Spannungsverhältnis zwischen sozialistischer Utopie und Wirklichkeit. Denn er scheute nicht davor zurück, Probleme und Fragen indirekt anzusprechen, die von der SED in den fünfziger Jahren totgeschwiegen wurden. Auf diese Weise wurden seine Vorlesungen zum Politikum. Und auch sein Festhalten an einem geeinten Deutschland, konnte nicht mehr akzeptiert werden: „Daß Deutschland auf lange Sicht geteilt sei, das war etwas, was er ga nicht aufkommen ließ“, erinnert sich Hartmut Zwahr als ehemaliger Student. Auf diese Weise wurde Mayer allmählich zu einer problematischen Figur für Partei- und Staatsführung der DDR. Mit der Niederschlagung des Ungarnaufstandes und dem radikalen Kurswechsel der SED gegenüber Intellektuellen, musste auch Mayer erste Konsequenzen ertragen. Am 28. November 1956 untersagte die SED-Führung kurzerhand die Ausstrahlung von Mayers Vortrag „Zur Gegenwartslage unserer Literatur“ im Ost-Berliner Deutschlandsender.

In dieser Arbeit beklagte Mayer u.a. die in der DDR fehlende künstlerische Freiheit, deren Einschränkung nicht zuletzt auf dogmatische Funktionäre zurückzuführen sei: „Es gab und gibt bei uns patentierte Besserwisser.“ Es sei daher endlich an der Zeit, dass diesem Unfug ein Ende gemacht wird.

Das wiederum empfand die SED-Führung als schiere Provokation und nicht einmal zwei Wochen später, am 13. Dezember 1956, begann die systematische Überwachung Mayers durch die DDR-Staatssicherheit. Der Ermittlungsauftrag des MfS enthielt u.a. die warnende Anweisung, die Regeln der Konspiration dringende einzuhalten. Denn: „M. ist aus seiner Arbeit in der Bewegung ‚Freies Deutschland‘ in der Schweiz mit den Regeln der konspirativen Arbeit vertraut“.

 

Wolfgang Natonek ist am 3. Oktober 1919 als Sohn des jüdischen Publizisten und „Weltbühne“-Autors Hans Natonek in Leipzig geboren. 1935 muss sein Vater emigrieren, er selbst wird zusammen mit seiner Mutter für „staatenlos“ erklärt. Nach Abitur und Studienbeginn (Tiermedizin) wird er eingezogen, 1941 jedoch als „wehrunwürdig“ entlassen. Er arbeitet bis Kriegsende in einer Autowerkstatt und beginnt danach ein Studium der Germanistik, Geschichte und Anglistik in Leipzig. Er tritt in die LDP (später: LDPD) ein und arbeitet engagiert im Studentenrat mit, der ihn wiederholt zu seinem Vorsitzenden wählt. In der Nacht zum 12. November 1948 wird er verhaftet und wegen Spionage, Sabotage und Mitwisserschaft zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Er kommt nach sieben Jahren frei und verlässt die DDR. In Göttingen beendet er sein Studium und arbeitet danach bis zur Pensionierung als Gymnasiallehrer. Am 21. Januar 1994 stirbt er in Göttingen.

„Viele Jahre stand für mich die Zeit scheinbar still, aber eines Tages löste sich, mir völlig überraschend und unvorbereitet, diese Erstarrung. Es ist schon seltsam, wenn man noch eine Reihe von Monaten in bestimmten Verhältnissen glaubt, und dann ändert sich auf einmal alles innerhalb weniger Stunden!“ Das schrieb der aus der Haft entlassene Wolfgang Natonek im April 1956 an seinen Vater.

Von den „bestimmten Verhältnissen“ im „Gelben Elend“ in Bautzen ließ er sich jedoch nicht unterkriegen und richtete Bildungszirkel für seine Mithäftlinge ein. Der mit ihm inhaftierte Walter Kempowski erinnerte sich: „Sein Unterricht kam mir sehr zu Gute. Ich zehre immer noch davon. Er konnte die Fabeln von La Fontaine aufsagen, oder er gab Vorlesungen über deutsche Klassik wieder, die er bei Hermann August Korff gehört hatte (Geist der Goethezeit).“

Wolfgang Natonek gehörte zu den bekanntesten Studenten der Nachkriegsgeneration in Leipzig. Als Mitglied der LDP, die1946 als stärkste politische Kraft aus den Studentenratswahlen hervorging, kandidierte er für den Vorsitz und wurde gewählt. Mit seinem Einsatz für eine von politischem Einfluss unabhängigen Universität war er der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED schon bald ein Dorn im Auge. „Wenn ich sage, wir befürworten ein Arbeiterstudium, so heißt das nicht, dass die soziale Herkunft unbedingt ein ausschlaggebender Faktor sein soll. Es gab einmal eine Zeit, in der der verhindert war zu studieren, der eine nichtarische Großmutter hatte. Wir wollen nicht eine Zeit, in der es dem verhindert wird zu studieren, der nicht über eine proletarische Großmutter verfügt“, erklärte Natonek 1947.

Nach vergeblichen Versuchen, Natonek ins Abseits zu stellen, wurde er im November 1948 verhaftet. Ihm strafwürdiges Verhalten nachzuweisen, war schwer möglich, trotzdem wurde er zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt, von denen er sieben Jahre in Bautzen und Torgau absitzen musste. Aus seiner Haft entlassen, setzte er in der Bundesrepublik sein Studium fort und wurde Gymnasiallehrer, übernahm aber bis zu seiner Pensionierung keine politischen Ämter mehr. Erst danach trat er der FDP bei und engagierte sich in der Kommunalpolitik. Im Jahr der Wiedervereinigung ernannte ihn die Jungliberale Aktion in der DDR zu ihrem Ehrenvorsitzenden, die Leipziger Universität ehrte ihn 1992 mit dem Titel „Professor ehrenhalber“. Am 21. Januar 1994 starb er im Alter von 74 Jahren in Göttingen.

Georg-Siegfried Schmutzler ist am 17. März 1915 in Leipzig geboren. Er studiert ab 1933 Pädagogik und Philosophie und nimmt 1939 eine Stelle als Volksschullehrer an. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft beginnt er ein Studium der Evangelischen Theologie in Leipzig, das er 1951 beendet. Neben seinem Pfarramt in der Leipziger St. Petrigemeinde übernimmt er ab 1954 das des Studentenpfarrers an der dortigen Universität. 1957 wird er wegen „Boykotthetze“ verhaftet und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Knapp vier Jahre verbringt er im Zuchthaus Torgau. Am 18. Februar 1961 wird er entlassen. Es folgen knapp zwei Jahrzehnte als Fachberater für theologisch-pädagogische Fragen im Dresdner Landeskirchenamt. Am 1. April 1980 geht er in den Ruhestand und siedelt nach Westdeutschland, später nach West-Berlin über. Am 11. Oktober 2003 stirbt Georg-Siegfried Schmutzler in Berlin.

Der Kirchenkampf in den 1950er Jahren hat Georg-Siegfried Schmutzler zweifellos sehr nachhaltig geprägt. Der militant-atheistische Druck, der auf Schulen und Hochschulen lastete, sowie die massiven Benachteiligungen jungen Christen in Schule und Berufsausbildung, das Verbot der christlichen Jugendzeitschrift „Stafette“ oder das brutale Vorgehen gegen das Kugelkreuz als Bekenntnis zum christlichen Glauben waren zweifellos wichtige Beispiele für diese Erfahrungen. Hinzu kam Propagandasprüche wie „Der Marxismus ist allmächtig, weil er wahr ist“, die als Riesenplakate in Hallen und Hörsälen der Leipziger Universität prangten und die sein Denken und Handeln damals herausgeforderten.

Aber klein beigeben war nicht seine Sache. So hat es nicht verwundert, dass er schon bald, nachdem er 1954 das Amt des Studentenpfarrers in Leipzig übernommen hatte, in Konflikt mit den SED-Machthabern kam. Und die scheuten vor keinem Mittel zurück. 1957 musste eine Predigt vor der Studentengemeinde als Anlass für seine Verhaftung herhalten. Grundlage war ein zitierter Vers aus dem Neuen Testament, das der Leitung der Leipziger Universität dazu diente, ihm „reaktionäre Zersetzungs- und Wühlarbeit“ vorzuwerfen, durch die er seine Studenten zum „aufrührerischen Verhalten“ anstachle.

So jedenfalls steht es in einem Bericht, mit dem er 1956 denunziert wurde. Er stammte aus der Universität und diente der DDR-Staatssicherheit dazu, ihn wegen Verschwörung gegen „gesellschaftliche Organisationen“ anzuklagen. Schmutzler selbst empfand diesen Bericht als „Initialzündung für die damalige Leitung der SED an der Karl-Marx-Universität zu ihrer Hetzjagd auf mich, die schließlich in einem Schauprozess endete, der mir fünf Jahre Zuchthaus einbrachte“.

Der Prozess selbst sollte die Macht der SED gegenüber der Kirche demonstrieren, die Gemeinde in ihrer Arbeit verunsichern und sie als gesellschaftlichen „Unruhefaktor“ ausschalten. Denn christlicher Glaube und kirchliches Engagement, wie es Schmutzler verstand, stellten den 1952 beschlossenen „planmäßigen Aufbau des Sozialismus“ und damit auch die SED-Herrschaft in Frage. Wenige Monate vor dem eigentlichen Termin wurde Schmutzler am 18. Februar 1961 aus der Haft entlassen. Er blieb in der DDR – trotz seiner Erfahrungen und entgegen der SED-Hoffnung, ihn durch Übersiedlung in den Westen loszuwerden, weil er, wie er sagte, das Land nicht den Atheisten überlassen wollte.

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